Die Roten Wasser der Apokalypse

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In diesem Tatort spielt „Der dionysische Strom im Leben Nietzsches“ eine Rolle. Dieser wie die meisten deutschen Philosophen zu weitgehender Unverständlichkeit neigende Berufs-Denker übernahm von einem Vorgänger die Idee zweier Konzepte, die das Leben des Menschen bestimmen.

Dionysisch ist dabei der Rauschzustand, das Chaos, apollinisch die Ordnung, das Gesetz. Beiden gemeinsam scheint mir ein bewusster Verzicht auf die Kontrolle über das eigene Leben. Denn im Rausch entledige ich mich dieser Kontrolle völlig, sonst aber ordne ich mich dem Gesetz unter, übertrage diese Kontrolle also willentlich auf eine andere Instanz.

In welcher Weise sich in Nietzsches Auffassung und seiner folgenden Ablehnung des apollinischen Prinzips der Konflikt zwischen einer repressiven, immer noch religiös geprägten Gesellschaft und seiner Homosexualität ausdrückt, überlasse ich mit grosser Begeisterung den Fachleuten.

Meine Helden betrachten den Kontrollverlust von einem anderen, kraftvollen und eher amerikanischen Standpunkt aus. Corwin etwa entsagt in Zelaznys „Prinzen von Amber“ dem Thron und der Macht über ein komplexes Reich, um die Kontrolle über sein eigenes Leben zu gewinnen, sein Sohn Merlin besteigt den Thron aus dem gleichen Grund. Buffys Leben ist ein Zweifrontenkrieg, hier gegen Vampire, Dämonen und die Mächte der Finsternis, dort der darum, Herrin ihres eigenen Geschicks zu sein.

Als sie am Ende der Fernsehserie alle potentiellen Jägerinnen weltweit aktivieren lässt („Von jetzt an wird jedes Mädchen auf der Welt, das eine Jägerin sein könnte, auch eine Jägerin sein. Jedes Mädchen, daß die Kräfte haben könnte, wird die Kräfte haben.“), ist das übrigens eine Form asexueller Reproduktion.

In „Carmilla“ haben am Anfang weder Mircalla von Karnstein noch Laura Hollis wirklich die Macht über ihr eigenes Leben. Die so akzentfrei kanadisch sprechende Österreicherin steht unter der Herrschaft ihrer Mutter, die sie auch so nennt und nie mit einem Diminuitiv, ihre Zimmergenossin/Freundin/Liebhaberin hingegen unterliegt ihren eigenen Zwängen, die sie in jeden Kreuzzug zwingen, eine Kriegerin um des Krieges willen, mutig zwar, aber ohne Verständnis für den Preis, den sie am Ende zahlen muss.

Am Anfang von Staffel 3 hat Carmilla ihren Ablösungsprozess vollzogen und ist bereit, ihre Mutter nicht deswegen zu töten, weil sie ihre Mutter ist, sondern weil die ihr nach dem Leben trachtet. Laura allerdings steckt noch tief in einer Entwicklungskrise.

Und ich bin immer noch im Team Dean. Theo, Danny und die Aussicht auf die Apokalypse? Alle drei sehen verflixt gut aus, und das ist eine bekannte Tatsache.

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