Das Geheimhäusel und die Erfindung der Erotik

Ich fühle mich gerade geringfügig überfordert von den Informationen, die mir der Kleine Bruder und La Joven über ihr Leben geben.

Er besucht nämlich gerade die Babuschka im fernen, fernen Kasachstan und schickt Bilder von ihrem Landhaus. Das ist einfach ein Holzhaus auf dem Land. Der von der Bezeichnung implizierte Kontrast zum Stadthaus entfällt mangels eines solchen.

Überhaupt entfällt in jener Gegend der Welt manches, eine Kanalisation etwa, Telefonleitungen und asphaltierte Strassen. Das ist entweder Ausdruck beschaulicher Hinterwäldlichkeit, oder es sind die drei ersten Positionen auf der To-Do-Liste der Chinesen, für die Kasachstan die erste Bushaltestelle auf der Neuen Seidenstrasse sein wird.

8 Gigabyte mobilen Internets kosten dort übrigens 4 Ecu. Das ist nicht wenig in einem Land, wo ein Schreiner 200 Ecu im Monat verdient.

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Wo ich diese Informationen intellektuell verarbeiten kann und sogar eine Zukunftsperspektive erkenne, tue ich mich mit La Jovens Frage schwerer. Die konnte ich zwar beantworten, ich muss aber immer noch über sie nachdenken.

Beim Studium des Faszikels von Bonprix im Lesezimmer ihrer Zweiraumwohnung stellte sie nämlich die Existenz von Slips und Bodies ouverts fest. Sei dies, so fragte sie mich, der ich einst in einem Warenhaus in der entsprechenden Abteilung gearbeitet habe, nicht im täglichen Gebrauch ein wenig… unpraktisch?

Schonend brachte ich ihr nahe, dass diese Form der Kleidung nur besonderen Gelegenheiten bestimmt sei. Sie schien darüber nachzudenken, erzählte mir aber auch, dass sie seit wenigstens sechs Jahren stets die gleichen Schlüpper kaufe, ein Kompromiss aus Tragekomfort und Ansehnlichkeit.

Schliesslich wolle sie ja nicht, dass bei den erwähnten besonderen Gelegenheiten ein Mann nach einem Blick auf ihre Unterhose sie darum bäte, sich wieder zu bekleiden. Es sei ja doch schwierig genug, ihren Arbeitsplan mit dem eines gewissen jungen Mannes zu koordinieren –  und mit dem seiner Freundin, die vorzugsweise genau dann arbeiten sollte, wenn sie beide es nicht täten.

Ich hatte das deutliche Gefühl, dass sie die Erotik noch nicht erfunden hat. Sex war für sie Sex, eine eher praktische Angelegenheit. Und ich vermute, dass diese Informationen mit mir als einem harmlosen alten Mann teilte.

Dieses Gespräch eröffnete mir einen Blick auf eine komplett andere Sichtweise auf Sexualität. Oder eher ergab sich die Frage, wie meine Sichtweise auf das Thema eigentlich ist. Ich lebe nämlich in einer kleinen handgehäkelten Blase vor mich hin, so weit von den Menschen und diesem speziellen Thema entfernt wie möglich.

Der Herr Ambros aber stachelt mich dann und wann per Whatsapp dazu an, meinen Horizont in dieser Hinsicht wieder zu erweitern. Es scheint ihm meine zur Schau getragene Asexualität suspekt zu sein. Zugleich versteht er wohl, dass ich ohne die gedankliche wie praktische Hilfe anderer niemals voran kommen werde.

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